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Kompetenzzentrum
chronischer Pruritus
(KCP)

Pruritus: Behandlung und Betreuung

Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient,

Sie leiden unter hartnäckigem Jucken oder stark juckenden Hautveränderungen. Dies ist ein sehr häufiges Symptom in der Hautheilkunde und stellt auch in anderen medizinischen Disziplinen ein großes Problem dar. Im Kompetenzzentrum Chronischer Pruritus bieten wir Ihnen eine Betreuung an, in der sich neben Ihnen viele andere Patienten mit diesem Leiden befinden. Das KCP ist durch Zusammenschluss verschiedener Fachgebiete gegründet worden, um Ihnen durch eine optimale interdisziplinäre Zusammenarbeit die beste Diagnostik und Therapie für Ihr Leiden anzubieten. Wir verstehen, wie belastend dieses Symptom für Ihr tägliches Leben ist und möchten daher anbieten, mit Ihnen gemeinsam mögliche Ursachen aufzudecken und eine geeignete Therapie für Sie zu finden. Mit diesem Informationsheft geben wir Ihnen einen ersten Überblick über die Entstehung und die Ursachen von chronischem Jucken, Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten. Selbstverständlich werden wir darüber hinaus im ärztlichen Gespräch auf Ihre individuelle Situation eingehen und Ihre Fragen beantworten.

Falls Sie Fragen oder Anregungen hierzu haben, bitten wir, diese jederzeit zu äußern.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Ärzteteam

Wie entsteht Juckreiz?

Lange Zeit galt Jucken (medizinischer Fachausdruck: Pruritus) als Untereinheit des Schmerzes und ihm wurde wenig Aufmerksamkeit in der Wissenschaft und der Patientenbetreuung gewidmet. Mittlerweile ist weitestgehend bekannt, dass Jucken eine eigenständige Sinnesempfindung ist und wie er in der Haut entstehen kann. Im Mittelpunkt stehen die empfindlichen Nervenendigungen in der oberen Hautschicht (Epidermis) und ihre Rezeptoren. Die Nerven reagieren auf sehr viele Botenstoffe aus der Haut und dem Blut mit der Entwicklung von Jucken. In der aktuellen Forschung konnten bereits sehr viele sog. „pruritogene“, also Juckempfindung verursachende Botenstoffe gefunden werden und ständig kommen neue hinzu. Durch die unterschiedlichen Rezeptoren und Botenstoffe erklären sich die verschiedenen klinischen Pruritusformen wie reines Jucken, stechendes oder brennendes Jucken etc. Die Juckempfindung wird entlang der Nerven des Rückenmarks zum Gehirn transportiert, wo unmittelbar der Reflex „Kratzen“ ausgelöst wird. Durch Erkrankungen am Rückenmark kann das Jucken auf dem Weg zum Gehirn noch verstärkt oder sogar erst ausgelöst werden.

Wieso Juckreiz untersuchen und behandeln?

Die Natur hat der Haut unterschiedliche Empfindungen wie Berührung, Schmerz oder Jucken gegeben. Dies dient in erster Linie dem Selbstschutz. Jucken hat die
wichtige Funktion, auf Fremdkörper auf der Körperoberfläche, wie Insekten, Parasiten oder schädliche Pflanzenbestandteile (z. B. Brennnessel), aufmerksam zu machen, die dann durch den Reflex des Kratzens zuverlässig entfernt werden. Dieses akute Jucken hält meist nicht lange an und ist einfach zu behandeln. Chronisches Jucken (ab 6 Wochen Dauer) ist krankhaft, kann monate- oder jahrelang bestehen bleiben und ist in den meisten Fällen therapeutisch schwer zu beeinflussen. Daher bedeutet chronisches Jucken eine schwere körperliche und seelische Belastung. Chronisches Jucken ist, insbesondere in der Frühphase der Entstehung, ein Warnsymptom des Körpers und kann auf eine vorhandene oder entstehende Erkrankung
hinweisen. In der aktuellen Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Pruritus wird daher die Ansicht vertreten, dass bei jedem unklaren chronischen Jucken in regelmäßigen Abständen eine Ursachensuche veranlasst werden soll. Chronisches Jucken kann auf sehr vielen verschiedenen Erkrankungen beruhen. In Frage kommen z. B. innerliche Störungen in der Leber- oder Nierenfunktion, Vitaminmangel, Diabetes mellitus, Schilddrüsenfunktionsstörungen, Darmerkrankungen, Einnahme bestimmter Medikamente oder auch selten bösartige Erkrankungen. Auch Hauterkrankungen führen oft zu einem unerträglichen Jucken. Gelegentlich sind diese noch nicht vollständig ausgebrochen und für den Betroffenen noch nicht sichtbar;
das Jucken aber schon vorhanden. Jucken wird aufgrund seiner vielfältigen Ursachen daher auch als „interdisziplinäres Symptom“ bezeichnet und bei der Ursachensuche sollten verschiedene Fachdisziplinen zusammenarbeiten (Dermatologen, Internisten, Neurologen, Psychosomatiker, Radiologen, Anästhesisten, Schmerztherapeuten, eventuell Gynäkologen
und Kinderärzte). Dies bieten wir Ihnen in Münster im Rahmen des Kompetenzzentrums abhängig von ihrer juckenden Erkrankung an.
 

Der Juck-Kratz-Teufelskreis

Chronisches Jucken führt zu ständigem Kratzen. Das (Auf-) Kratzen der Haut verursacht wiederum juckende, entzündliche Hautveränderungen und Jucken bei der Wundheilung, wodurch ein sogenannter Juck- Kratz-Teufelskreis entstehen kann (siehe Abbildung). Einige Patienten entwickeln sogar Juckknötchen (sog. Prurigo), die ständig weiter jucken. Kratzen ist ein natürlicher Reflex und kann willentlich nur begrenzt unterdrückt werden. Der gute Rat „bitte nicht kratzen“ wird nur schwer oder gar nicht durchführbar sein. Einige Patienten kürzen die Nägel und tragen nachts Handschuhe, um den Schaden des Kratzens an der Haut zu begrenzen. Dadurch wird aber nicht bei jedem Patienten das nächtliche automatische Kratzen und dessen Folgen verhindert. Um die Hautverletzungen, die vom Kratzen hervorgerufen wurden, zu reduzieren, kann versucht werden, das Kratzen tagsüber „umzuleiten“. Betroffene benutzen dazu kleine Kratzkissen, die Bettdecke oder das Sofa, um den Kratzreflex abzuarbeiten. Prinzipiell sollte versucht werden, die Haut bei Jucken zuerst mit kühlenden und lindernden Präparaten einzucremen statt zu kratzen. Andere Patienten profitieren von autogenem Training oder Akupunktur.
 

Warum ein stationärer Aufenthalt?

Um mögliche Ursachen Ihres Juckens und eine effektive Therapie zu finden und so den Juck-Kratz-Teufelskreis zu unterbrechen, empfiehlt es sich in einigen Fällen, einen kurzen stationären Aufenthalt (1 Woche) wahrzunehmen. Die notwendigen Untersuchungen können so gebündelt durchgeführt werden und bei auffälligen Befunden kann schnell reagiert werden. Im Folgenden geben wir eine Übersicht über den Ablauf und Inhalt eines solchen möglichen stationären Aufenthalts. Das ärztliche Gespräch erfolgt mit dem Stationsarzt, der Sie genau zur Geschichte (Beginn, Verlauf, Charakteristik des Juckens, bekannte Erkrankungen und Medikamenteneinnahme) befragt. Wir bitten Sie, zusätzlich Fragebögen auszufüllen, damit wir uns ein noch besseres Bild von den Auswirkungen des Juckens machen können. Auf der Basis dieses Gesprächs wird ein für Sie individuelles, kompaktes Untersuchungsprogramm zusammengestellt, was unter anderem Blut-, Ultraschall-, Röntgenuntersuchungen und je nach Hautzustand auch Hautbiopsien beinhalten kann. Sollte in diesen Untersuchungen etwas Krankhaftes gefunden werden, besprechen wir mit Ihnen, welche weiteren Untersuchungen oder Therapien notwendig sind. Ihr Hautarzt und/oder Hausarzt erhält nach Vorliegen der Untersuchungsergebnisse und nach Abschluss des stationären Aufenthalts einen umfassenden Arztbrief. Während des stationären Aufenthalts wird auf der Basis der Ergebnisse ein individueller Behandlungsplan für Sie entwickelt. Die Therapie wird dann noch während des Aufenthalts eingeleitet. Selbstverständlich behandeln wir auch vorliegende Hauterkrankungen und Kratzspuren. Um den stationären Aufenthalt für Sie möglichst kurz zu gestalten, wird der Therapieerfolg in ambulanten Folgebesuchen beurteilt und die Therapie eventuell angepasst. Dies erfolgt gemeinsam mit Ihrem Haus- oder Hautarzt. Einen Termin können Sie im Anschluss an den stationären Aufenthalt (+49 251 83-57470, Mo.-Do. 8.00 bis 14.00 Uhr) vereinbaren.

Brauche ich eine psychosomatische Beratung?

Jucken wird heute nicht mehr als rein organische Erkrankung angesehen. Auch andere Faktoren, wie eine chronische Stressbelastung, verursachen oder verstärken das Jucken. Das ständig vorhandene Jucken schränkt Ihre Alltags- und Freizeitgestaltung ein, nicht selten bedeutet dies die starke Verminderung Ihrer Lebensqualität. So eine Situation zerrt auf Dauer an den Nerven; viele Betroffene verzweifeln daran. Viele Patienten berichten uns von vermindertem Antrieb, Schlafstörungen, Einschränkung der Aktivitäten, Konzentrationsschwierigkeiten
oder Gefühlen von Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Andere ziehen sich völlig zurück und scheuen sich, mit ihrer Hauterkrankung am sozialen Leben teilzunehmen. Häufig folgen Konflikte in der Familie („Kratz doch nicht immer!“) oder Spannungssituationen im sozialen und beruflichen Umfeld, was die Erkrankung weiter verschlechtert. Das Bewältigungsvermögen jedes Patienten ist anders, nicht alle Betroffenen kommen mit so einer Situation allein zurecht. Daher ist bei chronischem Jucken oft eine psychosomatische Beratung sinnvoll. Ein erfahrener Arzt sucht in einem Gespräch bislang übersehene Belastungsfaktoren, die das Jucken verschlechtern können und berät Sie über eventuelle Lösungsmöglichkeiten. Außerdem kann zur Vorbereitung einiger neuerer Pruritustherapien eine Vorstellung bei einem psychosomatisch geschulten Kollegen erforderlich sein. Daher können wir neben der Untersuchung in der Hautklinik auch die Möglichkeit einer Beratung bei unseren Kollegen der Psychosomatik bieten. In einem persönlichen Gespräch mit einem Arzt aus der Psychosomatik können Sie sich dabei Klarheit verschaffen über:

  • Welche Folgen hat das chronische Jucken für meinen Alltag?
  • Wo liegen meine aktuellen Belastungen?
  • Wo schöpfe ich Kraft, was tut mir gut?
  • Wie kann ich den sozialen Rückzug aufhalten?

Bitte sprechen Sie uns an, wenn Sie Interesse an diesem Angebot haben.

Das Behandlungskonzept

Wir bieten Ihnen eine individuell auf Sie abgestimmte Therapie an. Selbstverständlich steht die Therapie der Ursache des Juckens hier an erster Stelle. So wird z. B. bei einem Eisenmangel eine Eisentherapie eingeleitet. Bei langjährigem Pruritus ist jedoch häufig trotz intensiver Ursachensuche der ursprüngliche Grund des Symptoms nicht mehr erkennbar. Hierbei hat das Jucken seine Funktion als Warn- und Leitsymptom verloren; möglicherweise hat sich ein „Pruritusgedächnis“ ausgebildet. Dies erschwert ganz entscheidend die Therapie. In diesem Fall bieten wir Ihnen nach einem Stufenprogramm eine für Sie speziell geeignete innerliche oder äußerliche Therapie an, um das Jucken zu unterdrücken. Erfahrungsgemäß kann schweres Jucken bei einigen Erkrankungen jedoch nur wenig oder gar nicht gebessert werden. In diesen Fällen werden wir Sie auch speziell über neue, innovative Therapien informieren. Um den Erfolg dieser Therapie zu überprüfen dienen nicht nur unsere Fragebögen, auch werden wir unter anderem Fotografien anfertigen und Sie können in einem Tagebuch die Juckstärke täglich selbst eintragen.  Sicher haben Sie schon viele Therapien durchgeführt, die nur zum Teil erfolgreich waren und wissen daher aus eigener Erfahrung, dass jede Therapie viel Geduld erfordert und es Wochen oder sogar Monate dauern kann, bis das Jucken vollständig unterdrückt ist. Daher sind verschiedene Punkte zu berücksichtigen, die hier im Folgenden dargestellt werden, um dauerhaft Erfolg bei der Pruritusbekämpfung zu haben.

Auslösungsfaktoren

Auslösungsfaktoren, die Jucken hervorrufen oder weiter fördern, sollten als Erstes ausgeschlossen werden. Dazu zählt z. B. der Kontakt mit hautirritierenden Substanzen oder für die Haut schädliche Maßnahmen (zu häufiges oder heißes Baden, häufige Salzwasserbäder, lang dauernde Schaumbäder) und bestimmte Genussmittel (Alkohol, scharfe Gewürze, heiße Getränke).

Medikamentöse Therapien

Als weitere Therapiemaßnahme ist eine intensive äußerliche oder innerliche medikamentöse Therapie möglich. Hier stehen viele erprobte bzw. in den letzten Jahren neu entwickelte Therapien zur Verfügung. Unter Berücksichtigung Ihrer Grunderkrankung, bestehender Medikamenteneinnahmen sowie der Form des Juckens leiten wir dann mit Ihrer Zustimmung die entsprechende Therapie ein.

Innovative Therapien

Die Pruritusforschung hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Auch die forschende Industrie hat jetzt erstmals neue Substanzen entwickelt, die in äußerlicher oder innerlicher Form speziell gegen Pruritus wirken. Diese werden in Studien auf ihre genaue Wirksamkeit und mögliche Nebenwirkungen überprüft. Die ersten Studien, die meist an gesunden, freiwilligen Probanden erfolgen (sog. Phase-I-Studie), dienen dazu, die Sicherheit solcher neuer Therapien am Menschen zu erproben. Um die Wirksamkeit und Sicherheit der Therapien bei Pruritus zu untersuchen, werden sogenannte Phase-II, Phase-III oder Phase IV–Studien durchgeführt. Deutsche und europäische Rahmengesetze regeln genau den Ablauf und die Auflagen solcher Studien. Durch kontinuierliche Aus- und Weiterbildungen kennen wir uns sehr gut mit der Durchführung von klinischen Studien aus. Wenn wir Ihnen eine der neuen, innovativen Therapien anbieten können, von der wir denken, dass Sie davon einen Behandlungsvorteil haben, dann werden wir Ihnen den genauen Wirkmechanismus, die bisherigen Erfahrungen, mögliche Nebenwirkungen und den genauen Ablauf der Studie in einem umfassenden mündlichen Gespräch einschließlich einer schriftlichen Information erklären. Eine Studie wird ausschließlich nur mit Ihrem schriftlichen Einverständnis durchgeführt. Weitere Informationen lassen wir Ihnen gerne zukommen.

"Erste Hilfe“ bei Pruritus

Erste Maßnahmen zur Bekämpfung des Juckens sind das Tragen von luftiger, nicht-synthetischer Kleidung, kurzzeitiges Anlegen von feuchten oder kühlenden Umschlägen z. B. mit kaltem schwarzem Tee, kaltes Duschen sowie regelmäßiges Eincremen zur Rückfettung der Haut. Diese Maßnahmen sind auch bei nächtlichen Attacken geeignet.

Des Weiteren werden wir Ihnen gerne Cremes, Sprays oder Lotionen mit kurzfristig wirksamen, prurituslindernden Wirkstoffen empfehlen bzw. zur Verfügung stellen, die Sie individuell bei starkem Jucken anwenden können. Durch Einsatz verschiedener Cremes können Sie bereits während des stationären Aufenthalts feststellen, welches Präparat für Sie am besten geeignet ist. Gerne geben wir Ihnen hierzu auch eine schriftliche Information.
 

Rehabitilation

Bei chronischem Jucken ist es in einigen Fällen sinnvoll, eine medizinische Rehabilitation durchzuführen. Die Pruritusforschung hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Hierdurch soll der Therapieeffekt vertieft werden und es besteht die Möglichkeit, verschiedene Probleme (wie das Kratzverhalten) gezielter zu behandeln. Sprechen Sie uns auf diese Möglichkeit an, wir beraten Sie gerne. Wir hoffen, Ihnen hiermit wichtige Informationen zu Ihrer Erkrankung zu geben. Das Ziel Ihrer Betreuung im Kompetenzzentrum Chronischer Pruritus (KCP) ist, die Ursache des Juckens und eine geeignete Therapie für Sie zu finden. Bei dem Wunsch, effizient von dem Symptom befreit zu werden, begleiten wir Sie gerne. Falls Sie Anregungen oder weitere Fragen haben, wenden Sie sich jederzeit an Ihre betreuenden Ärzt*innen.

Pruritustagebuch

Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient,

wir bitten Sie, pro Tag (pro 24 h) jeweils einen Durchschnittswert und einen Maximalwert für die Stärke des Juckens anzukreuzen. 0 bedeutet kein Jucken, 10 bedeutet schwerstes vorstellbares Jucken.