Epilepsiechirurgie
In den letzten 30 Jahren hat sich die Epilepsiechirurgie als sicheres und wirksames Verfahren zur Behandlung pharmakoresistenter Epilepsie etabliert.
Voraussetzung für eine epilepsiechirurgische Behandlung ist, die genaue Lage und Ausdehnung der epileptogenen Zone im Gehirn festzustellen. Das ist der Hirnbereich, von dem die typischen epileptischen Anfälle ausgehen können. Eine epilepsiechirurgische Behandlung ist nur dann möglich, wenn es gelingt, die epileptogene Zone zu lokalisieren und wenn diese nicht mit wichtigen, funktionstragenden Zonen überlappt.
Epilepsiezentrum Münster–Osnabrück
An den Standorten in Münster und Osnabrück werden Kinder, Jugendliche und Erwachsene behandelt.
Epilepsy Research Center
Leiter: Prof. Dr. Ali Gorji, Medizinische Fakultät Münster
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Sprechstunde
Sprechstunde für Epilepsiechirurgie
Ort: NCH Ambulanz
Zeit: Mittwoch, 09.00–15.00 Uhr
Expert*innen: Univ.-Prof. Dr. med. Walter Stummer, Priv.-Doz. Dr. med. Maryam Khaleghi Ghadiri
Anmeldung: maryam.khaleghi@ukmuenster.de
In Notfällen erreichen Sie unseren neurochirurgischen Dienstarzt oder unsere neurochirurgische Dienstärztin jederzeit unter +49 251 83-55555.
Diagnostik
Die wichtigste Untersuchungsmethode zur Bestimmung der epileptogenen Zone ist die Video-EEG-Langzeitaufzeichnung (Video-EEG-Monitoring). Daneben ist eine hoch-auflösende Kernspin-(MRT-) Bildgebung erforderlich, um feinste, möglicherweise für die Epilepsie verantwortliche Strukturauffälligkeiten (Läsionen) zu identifizieren. Für die Einschätzung des OP-Risikos ist u.a. eine neuropsychologische Untersuchung erforderlich, z.B. um das Ausmaß von Gedächtnisstörungen festzustellen. Weitere Zusatzuntersuchungen sind gelegentlich notwendig, z.B. um die Lage von Motorik- und Sprachzentren im Gehirn zu bestimmen.
Die ausführliche prächirurgische Diagnostik erfolgt auf der Epilepsiestation der hiesigen Klinik für Schlafmedizin und neuromuskuläre Erkrankungen. Anschließend werden die Befunde in einer interdisziplinären Fallkonferenz mit allen beteiligten Spezialist*innen der Neurochirurgie, Epileptologie, Radiologie und Psychologie besprochen und gemeinsam eine Therapieempfehlung erarbeitet.
Ziele
Erstes Ziel einer epilepsiechirurgischen Behandlung ist die Anfallsfreiheit. Je nach Lage der epileptogenen Zone und je nach Ausmaß des Bildbefunds im MRT kann die Chance auf Anfallsfreiheit im optimalen Fall bei 70 bis 80 Prozent liegen. Wenn keine Anfallsfreiheit erreicht wird, kann eine Linderung der Anfallshäufigkeit zumindest ein Teilerfolg sein. Eine epilepsiechirurgische Behandlung hat nicht das Ziel, Epilepsiemedikamente (Antikonvulsiva) abzusetzen. Diese sollten auch nach einem epilepsiechirurgischen Eingriff weiter eingenommen werden. Damit ein epilepsiechirurgischer Eingriff Erfolg hat (d.h. zur kompletten Anfallsfreiheit führt), muss die epileptogene Zone komplett entfernt werden. Der Unterschied zu anderen neurochirurgischen Operationen liegt darin, dass dazu meist auch ein Randbereich entfernt werden muss, der die im MRT-Bild sichtbare Strukturveränderung (Läsion) umgibt (Generous resection).
Operationsverfahren
Anteriore Temporallappenresektion (2/3-Resektion des Temporallappens)
Entfernung der vorderen 2/3 des Schläfenlappens über einen seitlichen Zugang. Dieser Eingriff wird üblicherweise mit einer Amygdalo-Hippokampektomie verbunden.
Erweiterte Läsionektomie
Bei Nachweis einer Strukturveränderung (Läsion) der Hirnrinde, von der nach den Befunden der prächirurgischen Diagnostik die Anfälle ausgehen, kann eine erweiterte Läsionektomie angeboten werden. Dabei wird die Läsion samt eines strukturell normal erscheinenden Randsaums entfernt. Dies kann im Schläfenlappen oder in anderen Bereichen des Gehirns (extratemporal) der Fall sein. Bei besonderer anatomischen Lage der Läsion, zum Beispiel in elementaren funktionstragenden (eloquenten) Hirnarealen, kann eine Operation unter Wachbedingungen und intraoperatives Neuromonitoring erforderlich sein.
Selektive Amygdalo-Hippokampektomie
Ausschließliche Entfernung der tiefen (mesialen) Strukturen des Schläfenlappens, nämlich des Hippokampus und des Mandelkerns (Amygdala) über einen transsylvischen Zugang. Diese Operation kann dann angeboten werden, wenn ausschließlich die tiefen (mesialen) Anteile des Schläfenlappens für Anfälle verantwortlich sind.
Topektomie
Auch wenn sich im MRT keine Strukturveränderung (Läsion) nachweisen lässt, kann ein epilepsiechirurgischer Eingriff unter besonderen Umständen möglich sein, wenn sich mit anderen Methoden die genaue Lage und Ausdehnung der epileptogenen Zone mit hinreichender Genauigkeit bestimmen lässt. Der Eingriff besteht dann in der operativen Entfernung eines strukturell normal erscheinenden Hirnrindenbereichs. Die Chance auf Anfallsfreiheit ist bei solchen non-läsionellen Epilepsien zwar geringer als bei Nachweis einer typischen Läsion, kann aber im optimalen Fall mit 40 bis 50 Prozent immer noch besser sein als weitere medikamentöse Behandlungsversuche, wenn zuvor schon viele andere Medikamente versagt haben.
Weitere Verfahren
Invasive Video-EEG-Diagnostik
Voraussetzung für eine epilepsiechirurgische Behandlung bei non-läsionellen Epilepsien ist in der Regel eine invasive Video-EEG-Diagnostik. Dabei handelt sich um eine EEG-Diagnostik mit Tiefen- und/oder Plattenelektroden, die vorübergehend zum Zweck der Anfallsaufzeichnung in die vermutlich epileptogenen Hirngebiete eingepflanzt werden. Gelegentlich ist eine invasive Diagnostik auch bei nachgewiesener struktureller Läsion erforderlich, z.B. um die genaue Ausdehnung der epileptogenen Zone zu bestimmen oder bei Patient*innen, bei denen sich zwei oder mehr Strukturveränderungen finden, von denen aber möglicherweise nur eine tatsächlich für die Anfälle verantwortlich ist.
Palliative Verfahren – Elektrische Neurostimulation
Wenn bei Patient*innen keines der resektiven epilepsiechirurgischen Verfahren in Frage kommt, z.B. weil die epileptogene Zone zu ausgedehnt ist oder mit wichtigen funktionstragenden Hirngebieten überlappt, können palliative Verfahren erwogen werden. Diese führen zwar nicht zur Anfallsfreiheit, können aber zumindest eine Besserung der Anfallshäufigkeit bewirken. Dazu gehören vor allem die Behandlungsverfahren mit elektrischer Neurostimulation (Hirnschrittmacher). Zwei dieser Verfahren sind bisher in Europa zur Epilepsiebehandlung zugelassen worden: die Vagusnervstimulation (VNS) und die tiefe Hirnstimulation der Nucleus anterior thalami (ANT-DBS). Weitere Stimulationsverfahren (z.B. die responsive Neurostimulation RNS, NeuroPace®). werden voraussichtlich bald folgen.
Selektive Amygdalo-Hippokampektomie
Ausschließliche Entfernung der tiefen (mesialen) Strukturen des Schläfenlappens, nämlich des Hippokampus und des Mandelkerns (Amygdala) über einen transsylvischen Zugang. Diese Operation kann dann angeboten werden, wenn ausschließlich die tiefen (mesialen) Anteile des Schläfenlappens für Anfälle verantwortlich sind.
Vagusnervstimulation
Bei der Vagusnervstimulation (VNS) wird der linke Nervus vagus im Halsbereich über einen implantierten Schrittmacher elektrisch stimuliert. Die Reizung erfolgt mit einem festen Schema, das vom Arzt oder von der Ärztin über ein Handheldgerät von außen programmiert werden kann. VNS führt bei etwa 30 bis 50 Prozent der behandelten Patient*innen (Responder) zu einer Verminderung der Anfallshäufigkeit um durchschnittlich 30 Prozent. Anfallsfreiheit wurde nur in wenigen Einzelfällen berichtet. Neben der antikonvulsiven Wirkung ist auch ein antidepressiver Effekt beschrieben. Mögliche Nebenwirkungen sind Heiserkeit, Reizhusten und Schluckstörungen. Über einen Magneten können die Patient*innen den Schrittmacher zusätzlich zum fest programmierten Stimulationszyklus aktivieren. Einige Patient*innen berichten, dass sie dadurch beginnende Anfälle teilweise unterbrechen können.
Leitung der Epilepsiechirurgie am UKM
Univ.-Prof. Dr. med. Walter Stummer
Direktor Klinik für Neurochirurgie
Priv.-Doz. Dr. med. Maryam Khaleghi Ghadiri
Oberärztin
Interdisziplinäre Kooperationen
Priv.-Doz. Dr. med. Christoph Kellinghaus
Ärztlicher Leiter des Epilepsiezentrums am Klinikum Osnabrück
Priv.-Doz. Dr. med. Dr. Stjepana Kovac
Oberärztin, Klinik für Neurologie
Dr. med. Gabriel Möddel
Oberarzt
Facharzt für Neurologie
Notaufnahme