Infektionen zuhause statt im Krankenhaus behandeln – Betroffene profitieren von neuem Therapie-Ansatz
Wenn orale Antibiotika nicht ausreichen, müssen wirkungsvollere Arzneimittel häufig intravenös verabreicht werden. Das geschieht in der Regel im Krankenhaus, doch es geht auch anders: Mit der „Ambulanten Parenterale Antiinfektivatherapie“ (APAT) können Patientinnen und Patienten sich zuhause selbst versorgen und damit risikoarm auch in ihrer Genesung von den Vorteilen des heimischen Umfelds profitieren. | lwi
Heinrich Pape hätte nicht besser vorbereitet in seine Lebertransplantation gehen können. Der 75-jährige Steinfurter litt seit Ende 2022 wegen vernarbter, und damit enger, Gallengänge immer wieder an bakteriellen Entzündungen – und musste deshalb immer wieder ins Krankenhaus. „Dort habe ich für einige Tage intravenös Antibiotika bekommen, dann ging es mir wieder besser und ich konnte nach Hause – bis zum nächsten Fieber, dem nächsten Schüttelfrost und Erbrechen“, schildert Pape seinen Leidensweg. Nachdem ein Versuch, die Gallengänge zu glätten keinen Erfolg brachte, wurde Pape ans UKM überwiesen. Dass er eine neue Leber brauchte, weil diese zu versagen drohte, wurde schnell deutlich. Doch die Zeit bis zur Transplantation sollte er möglichst nicht im Krankenhaus verbringen müssen. An dieser Stelle kam für Pape die „Ambulante Parenterale Antiinfektivatherapie“ (APAT) ins Spiel, bei der sich Patientinnen und Patienten selbst und im heimischen Umfeld therapieren können.
„Die APAT kommt meist bei bakteriellen Erkrankungen wie beispielsweise Herzklappenentzündungen oder Infektionen des Magen-Darm-Traktes mit teils resistenten Erregern zum Einsatz, wenn es keine orale Therapieform mehr gibt“, erläutert Dr. Julia Fischer, Oberärztin der Medizinischen Klinik B am UKM, das Einsatzgebiet.
Statt wiederkehrender mehrtägiger Krankenhausaufenthalte bekommen die Patientinnen und Patienten einen im UKM eingesetzten Katheter in den Unterarm gesetzt. Der kann – bei korrekter hygienischer Handhabung – mehrere Monate implantiert bleiben. Die sterilen Medikamente – und wenn nötig, Unterstützung durch geschultes Personal – bringen Homecare-Unternehmen oder Apotheken bis nach Hause. „Wir prüfen im Vorfeld natürlich sehr streng, ob die Patientinnen und Patienten infrage kommen und sich das zutrauen“, sagt Fischer. „Dann bietet APAT ihnen aber eine gute Möglichkeit, das stationäre Setting zu verlassen und die Versorgung selbstständig zu erlernen und mit Unterstützung abzuschließen.“
Auch Prof. Jonel Trebicka, Direktor der Medizinischen Klinik B, sieht die Vorteile in dem hierzulande noch wenig verbreiteten Verfahren: „Die meisten Patientinnen und Patienten sind, wenn möglich, natürlich lieber zuhause als im Krankenhaus. Mit APAT können wir diesen Wunsch erfüllen, ohne in der Therapie Kompromisse machen zu müssen. Gleichzeitig schaffen wir damit auch Kapazitäten für andere Patienten, die dringend Betten benötigen.“
Die Lebensqualität für die Betroffenen verbessert sich dadurch erheblich. Sie können sich mehr bewegen, verlieren also keine Muskelmasse, können kochen und essen, was sie wollen, haben mehr soziale Kontakte.
„Das mag banal klingen“, sagt Trebicka, „aber man gibt den Patienten damit ein Stück Leben zurück“.
Die Risiken hält Fischer indes für sehr gut überschaubar. „Natürlich gibt es Risiken, Zuhause genauso wie im Krankenhaus. Es kann zu Infektionen am Katheter kommen, Fieber kann auftreten und Antiinfektiva haben immer auch Nebenwirkungen. Durch unsere individuelle Aufklärung sind die Betroffenen aber unserer Erfahrung nach sehr gut sensibilisiert für Veränderungen, die sie dann auch jederzeit melden können.“
Pape konnte dank des Verfahrens die Zeit bis zu seiner Organtransplantation sehr gut überbrücken und dadurch vergleichsweise entspannt und körperlich gut vorbereitet in die Operation gehen. Mit der Handhabung sei er bestens zurechtgekommen. „Das lief ganz wunderbar“, blickt er zurück. „Jeden zweiten Tag wurden pünktlich um 8 Uhr die gekühlten Medikamente geliefert. Die habe ich angeschlossen und dann für 30 Minuten Zeitung gelesen oder ferngesehen. Mit der Desinfektion muss man natürlich auch ein bisschen pingelig sein, aber das mache ich ja letztlich für mich selbst.“
Genauso wie APAT aber als Erleichterung für die einzelnen Betroffenen zu verstehen ist, wirkt es auch entlastend in die Fläche. „Wir bekommen viele Rückmeldungen dazu, auch von Hausärztinnen und Hausärzten aus dem niedergelassenen Sektor. Die sind total interessiert, da sie selbst diese Versorgungsform im ambulanten Setting nicht anbieten könnten, und Ihren Patientinnen und Patienten eine Alternative zum Krankenhausaufenthalt in Aussicht stellen können“, sagt Trebicka. Und auch am UKM denken die Verantwortlichen aktuell schon weiter. „Perspektivisch wollen wir ein Monitoring testen“ blickt Fischer auf die Zukunft der APAT. „Sogenannte ,Wearables‘, also etwa Smartwatches, könnten uns dann Informationen zur Therapie zur Verfügung stellen – die Kontrollmöglichkeiten für das ärztliche Personal also weiter verbessern und den Nutzerinnen und Nutzern gleichzeitig noch mehr Freiräume schaffen.“
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