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105. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pathologie in Münster: „Connective pathology - Was uns verbindet“

Vom 09. bis 11. Juni versammeln sich im Messe und Congress Centrum Halle Münsterland in Münster rund 700 Patholog*innen aus ganz Deutschland. Die wissenschaftliche Fachgesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Pathologie (DGP), hält nach zuletzt rein virtuellem Kongress erstmals wieder eine Tagung in Präsenz ab und begeht dort zugleich ihr 125-jähriges Gründungsjubiläum. Tagungspräsidentin ist Univ.-Prof. Eva Wardelmann, Direktorin des traditionsreichen Gerhard-Domagk-Instituts für Pathologie am UKM (Universitätsklinikum Münster).

Als ihr 2019 die Präsidentschaft der 105. Jahrestagung ihrer Fachgesellschaft angetragen wurde, wünschte sich Univ.-Prof. Eva Wardelmann mit einigem Augenzwinkern, dass der Tagungsort dann 2021 Münster sein solle – zuvor hatten sich die Standorte Berlin und Frankfurt jahrelang abgewechselt. Dass dieser Wunsch erst mit einem Jahr Verspätung in Erfüllung gehen sollte, konnte damals noch niemand wissen. „Umso mehr freue ich mich, die Kolleginnen und Kollegen endlich nicht mehr nur online treffen zu können. Das macht den Austausch einfach intensiver und persönlicher“, so Wardelmann.

Pathologen aus ganz Deutschland besprechen während der Jahrestagung die neuesten Erkenntnisse aus Theorie und Praxis. Als weitere Fachgesellschaft beteiligt sich in diesem Jahr die Deutsche Gesellschaft für Radiologie mit Beiträgen an der Tagung. Pathologie und Radiologie sind sich als fachübergreifend aktive, diagnostische Fächer traditionell sehr verbunden. Neben der vor allem am Standort Münster traditionell wichtigen Knochen- und Weichgewebspathologie gehören auch Laborautomation, Big Data und künstliche Intelligenz zu den wichtigen Themen. „Der Einsatz von maschinellem Lernen wird auch unser Fachgebiet mit Blick auf Genauigkeit und Schnelligkeit revolutionieren und ist daher zukunftsweisend“, weiß die Pathologin. „Aber auch den Nachwuchsmangel in unserem Beruf und wie wir ihm entgegenwirken, müssen wir diskutieren“, moniert Wardelmann.  „Eine Medizin ohne starke Pathologie ist nicht denkbar. Insbesondere in der Krebsmedizin tragen wir maßgeblich dazu bei, dass die Tumorklassifikationen immer genauer werden und die Wirksamkeit und Verträglichkeit von passgenauen Therapien deshalb zunimmt.“

Allein das Gerhard-Domagk-Institut untersucht rund 35.000 Gewebsproben pro Jahr, ungefähr 10 Prozent davon sind referenzpathologische Befunde zur genaueren Klassifikation von Tumoren. „Nahezu jede Krebsdiagnose kommt von einer Pathologin oder einem Pathologen. Wir haben hier eine besondere Expertise für Sarkome, die bei den bösartigen Tumoren insgesamt nur etwa ein Prozent ausmachen. Aber gerade bei einem seltenen Tumor ist es wichtig, dass Spezialisten ihn befunden – das ist etwas, wofür wir in Münster aus ganz Deutschland und darüber hinaus angefragt werden.“

Die unbekannte Disziplin: Was machen eigentlich Pathologen? Drei Fragen an Univ.-Prof. Eva Wardelmann

Über 2.000 Pathologinnen und Pathologen praktizieren in Deutschland. Doch: Nachwuchs wird dringend gesucht. „Die Pathologie hat eine Schlüsselfunktion nicht nur im Bereich der Krebsmedizin“, sagt Univ.-Prof. Eva Wardelmann, Direktorin des Gerhard-Domagk-Instituts für Pathologie am UKM (Universitätsklinikum Münster). Wardelmann ist vom 09. bis 11. Juni 2022 Tagungspräsidentin des Jahreskongresses der Deutschen Univ.-Prof. Eva Wardelmann Gesellschaft für Pathologie in Münster. Was ihr Fach so spannend macht und warum es trotzdem an Nachwuchs mangelt, dazu drei Fragen an Univ.-Prof. Eva Wardelmann.

Frau Prof. Wardelmann, aus Ihrer Sicht: Was macht eigentlich die Faszination Ihres Berufes aus?

Wardelmann: Aus meiner Sicht habe ich den schönsten Beruf der Welt! Das ist vielleicht nicht auf den ersten Blick verständlich, weil wir ja vermeintlich „totes Gewebe“ untersuchen und nicht direkt am Menschen praktizieren. Die Meisten wissen nämlich nicht, was genau Patholog*innen machen. Wenn mich Leute auf einer Party nach meinem Beruf fragen, herrscht nach meiner Antwort oft erst einmal beklemmendes Schweigen. Das hängt damit zusammen, dass alle Welt glaubt, Patholog*innen seien ausschließlich für Tabuthemen wie Leichenschau und Kriminalfälle zuständig. Aber das ist die Aufgabe unserer Kolleg*innen aus der Rechtsmedizin. Der Alltag einer Patholog*in besteht im Wesentlichen darin, Zellen und Gewebe zu klassifizieren und zu beurteilen. Das ist nicht nur in der Krebsmedizin wichtig, aber natürlich vor allem da. Wir ordnen Tumoren ein und können sagen, wo sie histologisch ihren Ursprung haben. Und auch, ob es sich um den Primärtumor oder um eine Metastase handelt. Wir können ableiten, wie die Behandlung des Tumors aussehen muss. Unser Beitrag zur Patientenversorgung liegt vor allem in der diagnostischen Expertise und in der Lotsenfunktion für die weitere Behandlung.

Wo liegt die Zukunft der Pathologie?

Wardelmann: Ich glaube, wie in vielen Bereichen der Medizin bekommt auch die Pathologie durch den Einsatz von maschinellem Lernen zusätzliche, zum Teil noch ungeahnte Möglichkeiten.  Wir stehen da noch ganz am Anfang der Forschung, die wir auch auf dem Kongress diskutieren werden. Ich stelle mir vor, dass wir durch KI-gestützte Diagnostik große Fortschritte machen werden. Insbesondere bei Krebserkrankungen wird uns die effizientere Nutzung von Big Data und deren Vernetzung mit anderen Zentren präzisere Aussagen zur Prognose treffen lassen. Die Entdeckung kleinster Mikrometastasen wird durch immer sensitivere Sequenziermethoden vermutlich erleichtert. Langfristig ist die Entwicklung völlig neuer Computer-gestützter Diagnosemöglichkeiten denkbar. KI kann Strukturen im Gewebe erfassen und vergleichen, die mit dem bloßen menschlichen Auge nicht oder nur mit sehr großem zeitlichen Aufwand quantifizierbar sind. Die Interpretation molekularpathologischer Untersuchungen könnte nicht nur in der Pathologie, sondern beispielsweise auch in der Humangenetik erleichtert werden.

Die Arbeit mit Zukunftstechnologien macht Ihr Fachgebiet modern und attraktiv. Trotzdem gibt es in der Pathologie massive Nachwuchsprobleme. Woran liegt das?

Wardelmann: Diese Nachwuchsprobleme sehen wir nicht nur in der Pathologie, sondern generell in der Medizin. Ich kann nicht leugnen, dass meine Kolleg*innen und mich das Thema sehr beschäftigt, schließlich möchten wir unsere so wichtige Disziplin auch weiterhin personell gut bestückt wissen. Wir müssen uns damit beschäftigen, wie wir die jungen Leute am besten schon während des Medizinstudiums an uns binden. Ich kann nur immer wieder betonen: Die Facharztausbildung zur Patholog*in ist hochspannend. Patholog*innen sind wahre Allrounder der Medizin und engagieren sich zudem in Forschung und Lehre. Und noch ein Pluspunkt: Unsere Arbeit unterscheidet sich im Allgemeinen sehr vom typischen Alltag auf den Stationen. Unsere Zeiteinteilung ist wesentlich flexibler, wir haben keine Nachtdienste und können auch Teilzeitbeschäftigungen gut realisieren. Diese Bedingungen und die Aussicht auf hoffentlich bald umgesetzte Homeoffice-Möglichkeiten machen den Beruf für junge Menschen, auch bezüglich der Familienplanung, attraktiv. 

Anja Wengenroth | UKM-Unternehmenskommunikation

Anja Wengenroth

Pressesprecherin