Erwachsene mit angeborenen und erworbenen Herzfehlern: Prof. Helmut Baumgartner übergibt Klinikleitung an Prof. Gerhard Diller
Münster war mit Berlin und München die erste deutsche Klinik, die als EMAH-Zentrum zertifiziert wurde. Bis heute ist das Konzept der Klinik einzigartig: Es reicht von der Diagnostik über Bildgebung und konservative Therapien bis hin zu Katheter-Interventionen bei angeborenen Herzfehlern und Klappenerkrankungen im Erwachsenalter. Von Anfang an mit dabei: Prof. Helmut Baumgartner. Es war ein Risiko, sagt er selbst. Aber die eigenommene Vorreiterrolle wurde bestätigt. Die Zahlen in Münster haben sich seit dem Antritt von Baumgartner im Jahr 2008 versechsfacht, die Klinik ist international anerkannt. Jetzt übergibt er den Staffelstab an seinen Nachfolger. | maz
Video: Welche Besonderheiten bringt es mit sich, die Entwicklung eines neuen Faches zu begleiten und welche Rolle spielen zukünftig KI und die Krankenhausreform? Das ausführliche Interview mit Prof. Helmut Baumgartner finden Sie an dieser Stelle.
Die Klinik für Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern (EMAH) und Klappenerkrankungen am UKM (Universitätsklinikum Münster) hat es ihrem Fach gleichgetan: Sie ist in den vergangenen 16 Jahren aus den Kinderschuhen herausgewachsen und zu einer gestandenen Institution geworden. 2008 als EMAH-Zentrum mit vier Mitarbeitenden und dem damals neu nach Münster gekommenen Prof. Helmut Baumgartner gegründet, arbeiten heute 23 Mitarbeitende unter seiner Leitung. Bis jetzt. Denn der 66-Jährige hat zu August die Klinikdirektion an seinen Nachfolger Prof. Gerhard Diller übergeben. „Diesen Bereich am UKM neu aufzubauen, das war schon ein Risiko für mich damals bei meinem Wechsel von Wien nach Münster“, gibt Baumgartner offen zu. Aber sein Vertrauen in den damaligen Vorstand hat sich ausgezahlt. Nur fünf Jahre später wurde aus dem Zentrum die erste eigenständige universitäre Klinik für EMAH unter Einbezug anderer struktureller Herzerkrankungen – insbesondere Klappenfehlern –, einem Fach, das es zu Beginn der medizinischen und wissenschaftlichen Karriere des Kardiologen Baumgartner noch gar nicht gab. Erst dank des medizinischen Fortschritts insbesondere der Kinderherzchirurgie und Kinderkardiologie erreichen heute 90 Prozent der Patientinnen und Patienten mit angeborenem Herzfehler das Erwachsenenalter und benötigen eine hochspezialisierte Versorgung.
Rückblickend lässt sich sagen: Der Mut hat sich gelohnt. Von zu Beginn rund 1100 ambulanten Patientinnen und Patienten werden heute über 6000 jährlich in der EMAH-Klinik versorgt, stationär hat sich die Zahl auf knapp 1400 Patientinnen und Patienten seit dem Start vervierfacht. „Ich bin sehr dankbar und glücklich über diese sehr erfreuliche Entwicklung“, sagt Baumgartner, die er nicht zuletzt seinem tollen Team zuschreibt, das eine große Beständigkeit aufweist. Auch dadurch sei die kontinuierliche Weiterentwicklung möglich gewesen, ebenso zeichne die Strukturen am UKM die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit den hiesigen Kliniken für Herzchirurgie und Kinderkardiologie aus. Ein besonderer Dank gelte zudem der EMAH Stiftung Karla Völlm, die maßgeblich an der Gründung beteiligt war und bis heute für eine Förderung in Millionenhöhe gesorgt hat.
Prof. Gerhard Diller entscheidet sich für Münster
Die Übergabe an Prof. Gerhard Diller freut nicht nur Baumgartner selbst, sondern auch den ärztlichen Direktor und Vorstandsvorsitzenden des UKM, Prof. Alex W. Friedrich. „Herr Diller hatte Rufe nach London und Toronto, an die renommiertesten EMAH-Zentren weltweit, und wir sind stolz, dass er sich für unseren Standort entschieden hat und die ausgezeichnete Arbeit von Herrn Baumgartner fortführen wird“, so Friedrich. „Herr Diller wird das nach wie vor dynamische Fach mit seiner medizinischen wie wissenschaftlichen Expertise weiter voranbringen.“ An seiner Seite ist Dr. Gerrit Kaleschke als Oberarzt und Leiter des Bereichs Intervention struktureller Herzerkrankungen für die Weiterentwicklung der katheter-interventionellen Therapie verantwortlich.
Gerhard Diller hat an der LMU München Medizin studiert und in der dortigen Kinderkardiologie promoviert, verfügt durch Aufenthalte in London unter anderem auch über einen Master in Gesundheitsökonomie. „Das Thema Herzmedizin und insbesondere die Behandlung angeborener Herzfehler hat mich immer fasziniert, da jede Patientin und jeder Patient einzigartig ist und einer lebenslangen spezialisierten Nachsorge bedarf“, sagt der 50-Jährige, der seit seiner Rückkehr aus London 2013 fest zum Team von Helmut Baumgartner gehört. Für ihn ist der Standort Münster nicht nur eine „Herzensangelegenheit“, sondern auch einzigartig. „Münster ist die zukunftsweisende Integration von strukturellen und angeborenen Herzfehlern in einer erwachsenenkardiologischen Klinik und von diesen wichtigen Synergieeffekten profitieren Patienten.“
Seine Ziele hat er fest im Blick; sie betreffen nicht nur die Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten mit angeborenen Herzfehlern, sondern auch die translationale Forschung. „Es gibt konkrete akademische Projektideen insbesondere im Bereich der künstlichen Intelligenz beziehungsweise Big-Data-Analyse, von denen wir hoffen, dass sie baldmöglichst die klinische Versorgung von EMAH-Patienten verbessern“, erklärt Diller. „Und wir werden weiterhin in den Schwerpunkt innovativer Bildgebung investieren, da ich überzeugt bin, dass das Verständnis der zugrundeliegenden Herzanatomie und -funktion die Basis der lebenslangen optimalen Behandlung von EMAH-Patienten bleibt.“