Turbulenter Renteneintritt: Herzstillstand bei Ausstandsfeier und eine glückliche Rettung
Eigentlich wollte Volker Wosnig aus Altenberge den Eintritt in den Ruhestand feiern und danach genießen. Schließlich konnte er bereits auf 33 Berufsjahre als Schadenssachbearbeiter bei einem großen Versicherer zurückblicken. Doch es kam anders: Bei seiner Ausstandsfeier am 07. Juni in einer Gastwirtschaft an Münsters Aasee brach er mit Herzstillstand zusammen. Dank beherzter Laienreanimation vor Ort und einem lückenlosen Ineinandergreifen von Maßnahmen des Rettungsdienstes und des Cardiac Arrest Centers am UKM hat Volker Wosnig fast 50 Minuten ohne eigenen Herzschlag überlebt. | aw
Es war sein vorletzter Arbeitstag: Was als fröhliche Ausstandsfeier begann, nahm einen Wendepunkt, als eine Servicekraft einen Mann, der zusammengebrochen war, auf der Herrentoilette entdeckte. Sofort begannen die lebensrettenden Maßnahmen – die Leitstelle der Feuerwehr Münster leitete dabei die ersten Reanimationsversuche telefonisch an. Insgesamt drei Personen versuchten den Leblosen per Herzdruckmassage zurück ins Leben zu holen. Sowohl Tochter Sina als auch Wosnigs Fußballtrainer und Arbeitskollegen gaben ihr Bestes. Bei Ehefrau Bernadette Wosnig klingt das in der Erinnerung so: „Ich fand das alles unwirklich und stand neben mir. Ich hätte in dem Moment gar nicht reagieren können.“
Dr. Johannes-David Lepper, Oberarzt für Internistische Intensivmedizin in der Klinik für Kardiologie I am UKM (Universitätsklinikum Münster), ist wichtig zu sagen, dass auch medizinische Laien im Fall einer Reanimation nur alles richtigmachen können: „Jemand muss den Mut aufbringen und mit der Herzdruckmassage anfangen. Egal wer drückt, einer muss es tun, damit der Patient eine Chance hat“, so Lepper. „Nach den ersten fünf Minuten beginnt das Gehirn, zu sterben. Das heißt, schon ganz früh werden die Karten für den weiteren Verlauf gelegt“, ergänzt sein Kollege Dr. Jan-Sören Padberg, ebenfalls Oberarzt der internistischen Intensivstationen und Notarzt. Beide Mediziner sind am UKM Teil des multi-disziplinären und zertifizierten Cardiac Arrest Center (CAC), das auf die Behandlung von Patienten nach Herz-Kreislauf-Stillstand spezialisiert ist.
Der herbeigerufene Rettungsdienst der Stadt Münster war nur fünf Minuten nach Alarmierung vor Ort, konnte aber trotz aller Wiederbelebungsmaßnahmen weiterhin nur einen Herzstillstand feststellen. „Wir haben die Reanimation nahtlos fortgesetzt und sofort das Cardiac Arrest Center des UKM informiert,“ sagt Andreas Hagemann vom Rettungsdienst der Stadt Münster. Weil der Rettungsdienst vor Ort keinen Kreislauf herstellen konnte, wurde der Patient an ein mechanisches Reanimationsgerät angeschlossen, mit dem alle Notarzteinsatzwagen der Stadt Münster ausgestattet sind. „Dass wir unter laufender Reanimation ins Krankenhaus fahren, ist sehr selten und wir machen das nur in Fällen, in denen der oder die Betroffene ganz bestimmte Kriterien erfüllt, die hoffen lassen, dass er den Vorfall überleben kann“ so Hagemann. Für rund ein Drittel der Patientinnen und Patienten mit Herzstillstand kämen jedoch alle Maßnahmen zu spät.
Anders bei Volker Wosnig: Bei seiner Ankunft im UKM – mutmaßlich 40 Minuten nach dem Herzstillstand – nahm ihn ein achtköpfiges Team des Cardiac Arrest Centers direkt im Schockraum in Empfang. Innerhalb weiterer 10 Minuten wurde der Patient an eine ECMO, eine Art miniaturisierte Herz-Lungen-Maschine, angeschlossen. Danach übernahm der diensthabende Kardiologe Priv.-Doz. Dr. Rudin Pistulli, der einen Herzinfarkt mit Vorderwand bei Wosnig diagnostizierte. Im Herzkatheterlabor eröffnete er das verschlossene Gefäß und setzte einen Stent ein, um es offenzuhalten. „Das alles war nur möglich, weil mittlerweile die ECMO die Herztätigkeit aufrechterhielt“, so Pistulli, „Die ECMO übernimmt in diesem Fall die Pumpfunktion des Herzens.“
Volker Wosnig bekam von alle dem nichts mit „Ich kann mich tatsächlich überhaupt nicht an diesen Tag erinnern“, sagt er heute. Nach nur drei Wochen auf der Intensivstation des UKM tritt er – noch unter Beatmung – eine intensivmedizinische Reha an. „Auch zu diesem frühen Zeitpunkt war es für uns sehr überraschend zu sehen, dass unser Patient einen 50-minütigen Herzstillstand offenbar ohne neurologische Schäden überstanden hat. Zumal bei Herrn Wosnig durch den Sturz auch noch eine Hirnblutung bestand, die viele unserer Therapiemöglichkeiten weiter einschränkte “, erinnern sich die Intensivmediziner Lepper und Padberg.
Auch aus kardiologischer Sicht ist der Fall Volker Wosnig sehr besonders: „Dass Herr Wosnig uns nun heute augenscheinlich gesund gegenübersitzt, übersteigt alles, was man erwarten darf. 50 Minuten Herz-Kreislauf-Stillstand sind die absolute Grenze, die auch das Organ Herz selbst ohne eigene Durchblutung überstehen kann“, ergänzt Kardiologe Pistulli. Er hat mit Volker Wosnig noch eine Verabredung: „Herr Wosnig litt damals unter einer noch nicht erkannten Hypercholesterinämie. Die hohen Blutfettwerte hatten zu einer Verkalkung seiner Herzkranzgefäße geführt – ein stille Killer, der sich leider erst im absoluten Ernstfall zeigt“, weiß der Kardiologe. „Bei dem Kathetereingriff im Sommer haben wir weitere Engpässe rund um die Herzgefäße gesehen, die wir nun mit Stents versorgen, damit sich ein Infarkt möglichst nicht wiederholt.“
Sein Patient Volker Wosnig nimmt das entspannt: „Ich war schon einmal 50 Minuten tot – was soll mich da jetzt noch schocken?“
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Anja Wengenroth
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